Vor einem halben Jahr durfte ich Mami werden. Ein riesengrosses Privileg, denn seither begleitet mich eine unbändige Liebe, die ich nicht in Worte fassen kann. Was dieses wunderbare Geschenk jedoch auch mit sich bringt, ist die Fremdbestimmtheit. 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche. Und auf einen Schlag war es vorbei mit morgens erstmal Meditieren. Auf meine liebgewonnen Routinen zu verzichten hat mich oftmals schon gefühlt total leer und verloren zurück gelassen, waren sie doch ein wichtiges Werkzeug für meine physische und psychische Gesundheit. Irgendwann, als mein Alltag wieder mehr zur Routine geworden ist, habe ich versucht kreativ werden und kleine Inseln für mich darin einzubauen. Als Mutter hat man eine Vorbildfunktion und wie wertvoll kann es sein, wenn man von klein auf mit Achtsamen Ritualen aufwachsen darf?
Also habe ich wieder angefangen zu meditieren, neue chante ich dazu meine Om’s. Meine Kleine sitzt auf meinem Schoss und lauscht gebannt den Klängen. Ganze 10 Minuten konnte sie neulich dabei still sitzen und lauschen. Das OM, die reinste Form von Energie, soll wie kein anderes zur spirituellen Erkenntnis beitragen – alles ist Energie und meinem kleinen Schatz scheint es zu gefallen.
Den Atem verlängern, lange und tief ausatmen durch den Mund. Normalerweise verbunden mit den Asanas, übe ich nun vor einem kleinen Kindergesichtchen. Ein paar Atemzüge reichen aus, um mich wieder zu zentrieren und mich an meine innere Mitte zu erinnern. Grosses Plus dabei – ich kriege ein kleines Kinderlächeln geschenkt, welches mir das Herz erwärmt.
Stillen schenkt einem ganz viele Auszeiten. In geselligen Runden habe ich nun einen mehr als guten Grund, mich einfach einmal kurz zurück zu ziehen. Seit die Kleine mehr von ihrer Umgebung wahrnehmen kann und die Neugier schon mal grösser ist als der Hunger, macht das Stillen seinem Namen alle Ehre. Denn still muss es sein. Still muss ich sein. Also habe ich wieder ein paar kurze Momente für mich, um zur Ruhe zu kommen, zu atmen und kann währenddessen in ein süsses Gesichtchen blicken und das kleine Köpfchen streicheln.
Und ganz oft darf ich auch von meiner Tochter lernen. Denn was gibt es reineres als kleine Kinderaugen, welche die Welt ganz neu entdecken? Das Lächeln eines kleinen Baby’s aufgrund von Dingen oder Geräuschen, denen wir Erwachsene längst keine Bedeutung mehr schenken. Ein achtsames Beobachten eines Blattes, welches im Wind weht. Von einer Sekunde auf die andere die Trauer vergessen und wieder zu lächeln – ganz im Moment sein ohne die Anhaftung auf Vergangenes oder Bevorstehendes. Oder das herzhafte Gähnen, mit viel Geräusch und gefolgt von einer ordentlichen Portion «Augen-Reiben». Wann um Himmels willen haben wir damit aufgehört?
Ich musste erst Mami werden, um zu erkennen, dass ich vieles, was Yoga mir an Mehrwert bietet, bereits in mir war und ich es lediglich über die Jahre verlernt habe. Es braucht nicht zwingend eine 10 Minuten-Meditation um in den Tag zu starten. Es braucht auch keine regelmässige Asana-Praxis und keine Yogamatte. Manchmal da reicht es vollkommen, die Welt mit Kinderaugen zu betrachten und das seelische Gleichgewicht ist wieder hergestellt.
Glück ist kein Geschenk der Götter; es ist die Frucht einer inneren Einstellung.
Erich Fromm